USA 2009

Eine Wohnmobilreise von den "Erosionscanyons" bis an den Pazifik


Donnerstag, 30. April – Flug nach Denver

Um 7.15 Uhr sind wir in der Luft und fliegen gen Paris, unserem ersten Zwischenstopp. Von dort aus geht es weiter über Cincinnati nach Denver. Das Wetter ist schön, und die Rapsfelder unter uns vermitteln schon eine Ahnung von der Leuchtkraft, die sie wohl bald entfalten werden.

In Paris haben wir drei Stunden Aufenthalt. Wir dachten, das sei sehr viel. Tatsächlich reicht die Zeit aber gerade aus. Paris Charles de Gaulle ist ein chaotischer Flughafen mit langen, schlecht ausgeschilderten Wegen. Es wäre nicht das erste Mal, dass wir uns dort verlaufen. Aber dieses Mal finden wir sogar den Bus, der uns zum richtigen Terminal bringt. Dort stehen wir dann noch eineinhalb Stunden in der Schlange vor der Security.

Der Flug nach Cincinnati selbst ist sehr entspannend. Ich benutze normalerweise meinen MP3-Player ja kaum, aber im Flugzeug ist er genial, um die Außenwelt auszusperren. Und mit Tom Waits und Eric Clapton kann ich wunderbar abschalten.

Rechtzeitig vor Labrador mache ich die Augen wieder auf. Wir sind nun schon häufiger über diese Gegend geflogen - aber jedes Mal faszinieren erneut die vielen Eisschollen, die zugefrorenen Flüsse und die weiten Schneefelder. "Natürlich" gibt es auch dieses Mal kaum Wolken, und wir haben freien Blick nach unten.

Je mehr wir uns Cincinnati nähern, umso größer wird unsere Sorge, dass wir es in der kurzen Aufenthaltszeit (nur etwas über eine Stunde) nicht schaffen, den Anschlussflug nach Denver zu erreichen. Wir müssen durch die Immigration (Fingerabdrücke, Foto, Fragen), und wir müssen unser Gepäck nehmen und neu aufgeben. Das ist immer nötig auf dem ersten Flughafen, den man in den USA erreicht. Möglicherweise müssen wir auch erneut durch die Sicherheitskontrolle. Die Erfahrungen aus Paris stimmen uns da nicht gerade optimistisch. Außerdem sitzen wir ganz hinten in der Maschine und werden darum als letzte aussteigen. Ein vager Versuch, vor der Landung in die erste Klasse (nach vorne) umzuziehen, schlägt fehl - die Stewardess meint, es werde kein Problem geben. Umso erfreuter sind wir, als wir eine viertel Stunde früher als geplant landen; leider geht die eingeholte Zeit aber wieder verloren, weil es Schwierigkeiten beim Andocken an den "Rüssel" gibt.

Als wir endlich bei der Immigration Control ankommen, ist der Andrang sehr groß. Bestimmt 80% der Insassen unserer Maschine sind keine US-Bürger und stehen somit vor uns in der Warteschlange. Darüber hinaus sind auch noch nicht alle Passagiere der vorherigen Maschine abgefertigt. Aber jeder, den man fragt, sagt in aller Ruhe: "No Problem!" Irgendwann werden dann aber doch alle hektisch, schließlich sind wir nicht die einzigen, die einen Anschlussflug erreichen wollen. Es werden alle Kontrollschalter geöffnet und jeder beeilt sich. Unsere Taschen stehen auch schon bereit, und es gibt genug Helfer, die dafür sorgen, dass das Gepäck noch auf den richtigen Weg kommt. Im Laufschritt erreichen wir noch rechtzeitig das Flugzeug, wir können sofort an Bord - und warten dann noch über eine halbe Stunde auf den Start, weil eine Bremse repariert werden muss. Und dafür haben wir so eine Hektik gemacht!

Der Flug nach Denver und die Landung dort sind unproblematisch, und unser Gepäck kommt sogar schnell aus der Maschine.

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Auf den Shuttlebus zum Hotel (Hyatt Place Denver Airport) müssen wir allerdings recht lange warten, weil wir erst nach einer ganzen Weile herausfinden, dass der nur nach telefonischer Anforderung fährt.
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Aber irgendwann sind wir dann doch in einem schönen, sehr großen Zimmer (fast schon zu groß für nur eine Nacht) mit Küchenecke, getrenntem Wohn- und Schlafbereich, Riesenfernseher und, und, und ...

Zunächst hatten wir mit dem Gedanken gespielt, noch irgendwo essen zu gehen, aber jetzt haben wir doch keine Lust mehr dazu und begnügen uns mit etwas Obst und Muffins aus dem Hotelcafé.


Freitag, 1. Mai – Von Denver nach Leadville

Schon um sieben Uhr sollen wir heute am Hotel abgeholt werden, um dann unser Wohnmobil zu übernehmen. Dank der Zeitverschiebung ist das frühe Aufstehen, das dafür notwendig ist, kein Problem. Wir sind sowieso stündlich wach und um vier ausgeschlafen, um sechs sitzen wir – versorgt mit der Tageszeitung – beim Frühstück in der Hotellobby …

… pünktlich um sieben steht das Auto von Moturis vor der Tür. Martin, der Fahrer, ist übrigens Schweizer und lebt erst seit kurzem in Denver.

Und bereits gegen neun können wir dann mit unserem RV (Recreation Vehicle), das für die nächsten Wochen unser Heim sein wird, vom Hof rollen. Etwa drei Stunden dauert es dann aber noch, bis alles Nötige eingekauft und der Haushalt komplett ist.

  

Wir fahren nach Westen aus Denver hinaus und sind gleich mitten in den Rocky Mountains. Die I 70 (Interstate 70) schlängelt sich durch die Berge und steigt am Vail Pass schon auf 10.660 feet (ca. 3.250 m).

                     

Kurz hinter Vail biegen wir nach Süden ab. Unser Ziel für die Nacht ist die Gegend um Leadville, der mit 3.094 m.ü.M. höchstgelegenen Stadt der USA. Für diese Höhe ist die Vegetation noch sehr üppig, aber die dünne Luft macht sich durchaus bemerkbar. Bei unserem Erkundungsgang durch Leadville fühlen wir uns ein wenig wackelig auf den Beinen, und für größere Aktivitäten reicht die Atemluft nicht mehr aus.

 

Leadvilles Hauptstraße gibt nicht viel her, und um diese frühe Zeit im Jahr ist alles noch sehr ruhig, nur einige Mountainbiker sind unterwegs. Die Touristeninformation ist gerade dabei zu schließen als wir ankommen (um 16.00 Uhr!). Immerhin bekommen wir noch die Adresse des einzigen RV-Parks/Campingplatzes, der um diese Jahreszeit schon geöffnet hat. Wir haben keine Wahl, denn wir brauchen einen Stromanschluss, damit wir in der Nacht die Heizung laufen lassen können. Es kann hier noch bis -10° kalt werden, und da geraten die Wassertanks in Gefahr.

Der Platz liegt mitten im Ort, ist eher unattraktiv und etwas ungepflegt – und die Übernachtung kostet 32 $! An diese Preise werden wir uns noch gewöhnen, im Moment erscheint es jedoch sehr teuer. Aber was soll's – wir machen uns daran, uns wohnlich einzurichten. Bisher haben wir ja noch keine Tasche ausgepackt.

Bis alles verstaut ist, vergehen einige Stunden. Und nach ein paar Thai-Nudeln aus der Mikrowelle machen wir es uns im Alkoven-Bett gemütlich. Die Zeitverschiebung ist noch nicht überwunden, und genau wie in der letzten Nacht werden wir in regelmäßigen Abständen wach. Auch die lärmende Heizung, die alle paar Minuten anspringt, trägt nicht gerade zur erholsamen Nachtruhe bei. Aber wir haben ja Urlaub, da sind solche Dinge nicht tragisch, und wir können die erste Nacht in unserem "WoMo" durchaus genießen.


Samstag, 2. Mai – Kreuz und quer durch die Rockies

Wir fühlen uns auch schon früh ausgeschlafen, und um fünf – es ist noch stockfinster - zieht Kaffeeduft durch's Heim. Das Laptop meldet mehrere ungesicherte Netzwerke in der Umgebung, und damit habe ich auch meinen geliebten Internetzugang, kann Mails abrufen und einen Beitrag in meinem Blog posten.

Die Campingplatzduschen sind erstaunlich sauber und gepflegt, so dass wir die eigenen Wasservorräte nicht belasten müssen.

Nach unserem im dritten WoMo-Jahr schon traditionellen Frühstück (Knäckebrot mit Käse, Joghurt und Müsli, Kaffee, Orangensaft) machen wir uns auf den Weg. Tagesziel ist der Black Canyon of the Gunnison National Park.

                           

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Den ursprünglichen Plan, auf dem Weg dorthin einen Umweg über Aspen und den Independence Pass zu machen, müssen wir aufgeben, weil der Pass um diese Jahreszeit noch gesperrt ist. Trotzdem fahren wir auf der Straße nach Aspen an den Twin Lakes vorbei ein Stück in die Berge. Schließlich müssen wir ja kontrollieren, ob der Pass wirklich gesperrt ist J. Er ist tatsächlich zu, die Schranke lässt sich nicht umfahren. Wir müssen umkehren. Schade, aber auch dieser Teil der Straße war schon ganz schön, und an einem Bach halten wir an für eine kleine Wanderung.

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Der Rest der Strecke führt uns zunächst nach Süden bis Salida und dann weiter nach Westen über Gunnison zum Black Canyon of the Gunnison National Park. Es geht ständig bergauf und bergab, aber im großen Ganzen bewegen wir uns ständig in über 2000 Meter Höhe. Am Monarch Pass erreichen wir 11.312 feet (3.450 m). Das Wetter ist durchwachsen, manchmal regnet es, und vor dem Independence Pass hat es geschneit.

  

Leider verschlechtert es sich gegen Abend rapide, und als wir am Campground im Black Canyon National Park ankommen, regnet es in Strömen. Gut, dass wir unser Haus dabei haben! Der Platz ist recht schön, es gibt sogar Stromanschluss. Was will man mehr? Und während ich hier noch schreibe, hört es auf zu regnen, und die Sonne kommt heraus.

Ulrich ist etwas genervt. Er muss eine Schublade reparieren. Sie hatte sich in einer Kurve selbständig gemacht, war heraus gefallen und hatte ihren Inhalt (Gläser und Dosen mit Lebensmitteln) im Auto verstreut. Glücklicherweise ist nichts kaputt gegangen. Die Schublade ist mittlerweile auch gerichtet, und wir erkunden bei einem Abendspaziergang noch ein wenig die Umgebung des Campingplatzes.


Sonntag, 3. Mai – Black Canyon of the Gunnison

Auch am Morgen bleibt es trocken, und die Sonne versucht zumindest, sich zwischen den Wolken zu zeigen, leider meist erfolglos. Immerhin ist das Wetter gut genug, um an mehreren Viewpoints und auf einer Wanderung unseren ersten Canyon auf dieser Reise genauer in Augenschein zu nehmen. Wir sind schon gehörig beeindruckt, obwohl der Black Canyon zu den eher unspektakulären geologischen Formationen zählt – zumindest im Vergleich zu dem, was uns noch erwartet.

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Von hier aus fahren wir zunächst nach Montrose und dann über den Highway 550 weiter nach Süden. Die Straße windet sich an der Schneegrenze entlang durch die San Juan Mountains. Mitten in diesen Bergen liegt auf ca. 2500 m Höhe der Ort Ouray, der auch Little Switzerland genannt wird, weil die Landschaft hier sehr an die Alpen erinnert. Trotz des eher schlechten Wetters – es schneit immer mal wieder – und der vielen Steigungen sehen wir häufiger Radfahrer an der Strecke. Kompliment!

Das schönste Stück des Highway 550, das auch "Million Dollar Highway" genannt wird, liegt zwischen Ouray und Silverton und führt über den 3.350 m hoch liegenden Red Mountain Pass.

                         

Silverton ist ein kleiner Ort in einem Hochtal der San Juan Mountains, der Ende des Jahrhunderts im Zusammenhang mit Silberfunden gegründet wurde. Heute lebt er vom Tourismus und von der historischen Eisenbahnverbindung nach Durango. Der Ort ist etwas skurril, aber nicht unsympathisch. Man fühlt sich zurück versetzt in Zeit der Silberminen und des Eisenbahnbaus.

  

Nachdem wir auf der Weiterfahrt am Molas Pass (3.325 m) und am Coal Bank Pass (3.250 m) noch einmal tiefsten Winter erleben, finden wir in Durango dann frühlingshafte Temperaturen vor. Die Bäume blühen und alles ist grün. Wir machen eine unfreiwillige Stadtrundfahrt auf der Suche nach einer Tankstelle, an der man dumpen (Abwassertanks entleeren) kann. Wir sind dies aus Alaska so gewöhnt, aber hier ist es wohl anders. Dieser Service wird nur auf Campingplätzen angeboten.

Also fahren wir weiter zu unserem Tagesziel, dem Mesa Verde National Park. Der Campground (A&A Mesa Verde RV Park) bietet jeglichen notwendigen Service, und wir können auch die ersten warmen Sonnenstrahlen in diesem Urlaub genießen. Es sollen nicht die letzten sein!

              


Montag, 4. Mai – Mesa Verde National Park

Wir haben den Wecker auf fünf Uhr gestellt, damit wir zeitig losfahren können. Wir möchten an der Balcony House Tour im Mesa Verde National Park teilnehmen. Die beginnt zwar erst um 9.30 Uhr, wir müssen vorher aber noch die Karten kaufen und etwa 30 Meilen (knapp 50 km) bis zum Startpunkt fahren. Außerdem wollen wir uns nicht hetzen, und an einem sonnigen Urlaubstag steht man ja auch nur allzu gern früh auf.

Im Mesa Verde Nationalpark kann man sogenannte Cliff Dwellings besichtigen, Wohnhäuser und Dörfer, die von den Anasazi, frühen Bewohnern des Mesa Verde (Grüner Tafelberg), in den Fels gehauen wurden. Sie sind teilweise nicht einfach zu erreichen, und die spektakulärsten kann man nur innerhalb einer geführten Tour besichtigen.

Wir sind gut in der Zeit und können die Anfahrt auf der Straße, die sich über die Mesa schlängelt, richtig genießen. Wir bekommen einen guten Eindruck von der geologischen Formation und können auch schon einige der Klippenbehausungen sehen.

                     

Um 9.30 Uhr dann haben sich ca. 35 Besucher am Startpunkt der Balcony House Tour versammelt. Diese Tour wird in den Reiseführern als sehr interessant, aber auch etwas beschwerlich oder sogar abenteuerlich beschrieben. Man muss über hohe Leitern klettern, sich durch schmale Felsspalten winden und durch einen engen Tunnel kriechen. Die Anasazi wussten sich gut gegen Eindringlinge zu schützen!

        

Unser Guide, Ranger Joe, ist eine resolute ältere Dame, die die Tour mit vielen Geschichten und weisen Ratschlägen ihres indianischen Großvaters würzt. Insgesamt sind die Bauten äußerst beeindruckend. Es sind nicht einfach aus dem Fels geschlagene Höhlen, sondern gemauerte, teilweise sogar mehrstöckige Gebäude mit Laubengängen und Balkonen. Es gibt große Feuerstellen und Festplätze für die einzelnen Gemeinschaften, die aus bis zu 90 Personen bestehen konnten. Und dank der lebhaften und wirklichkeitsnahen Schilderungen von Ranger Joe wird uns das damalige Leben sehr plastisch nahe gebracht. Es war eine gute Entscheidung, diese Tour zu buchen!

  

Nach ihrem Ende fahren wir noch ein wenig durch den Park und schauen uns weitere Cliff Dwellings aus der Ferne an. Das ist auf eine andere Art genauso interessant wie die Besichtigung aus der Nähe. Nur aus der Entfernung kann man nämlich das gesamte Ensemble und seine Lage im Fels erfassen. Aus der Nähe könnte man sich noch das sogenannte Cliff House in einer geführten Tour und das Spruce Tree House selfguided anschauen. Für beides braucht man Zeit und vor allen Dingen viel Energie, die uns am mittlerweile frühen Nachmittag bei den ungewohnt hohen Temperaturen doch etwas abgeht.

Außerdem haben wir für die Nacht einen Platz auf dem Campground im Arches National Park reserviert. Diese Reservierung wollen wir nicht verfallen lassen, bekommt man doch ohne Vorbuchung nur dann einen Platz, wenn man sich schon morgens ganz früh registriert.

Bis zum Arches N.P. sind es zwar nur knapp 200 Meilen von hier, aber vier Stunden werden wir wohl brauchen. Über Cortez fahren wir in Richtung Monticello. Nachdem wir eine Gegend mit kleinen, eher ungepflegten Farmen hinter uns gelassen haben, geht es durch weites, flaches Buschland. Unbemerkt überqueren wir die Grenze nach Utah, und in Monticello biegen wir auf die #191 nach Norden ein. Bald schon befinden wir uns innerhalb atemberaubender geologischer Formationen, die uns eine Idee davon geben, was Erosion alles zu leisten vermag. Wir kommen aus dem Staunen gar nicht heraus.

                

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Eine weitere Steigerung erfährt dieser Eindruck bei der Einfahrt in den Arches National Park. Wir sind hin und her gerissen zwischen Staunen, Ehrfurcht und Bewunderung. Die Landschaftsformen sind so grandios, dass wir zeitweise tatsächlich ergriffen sind. "Das kann doch gar nicht wirklich sein!" Wenn diese Landschaft in der Antike schon bekannt gewesen wäre, hätte sie mit Sicherheit zu den Weltwundern gezählt.

               

              

Der Devils Garden Campground liegt im hinteren Teil des Nationalparks und ist wunderschön zwischen roten Felsen angelegt. Es ist vor dem Abendessen noch Zeit für eine Wanderung zum Broken Arch.
   

Der Arches National Park verdankt seinen Namen den vielen, durch Erosion entstandenen Felsbögen (Arches). Manche sind eher klein und stabil, andere spannen sich filigran über die Landschaft. Der größte Bogen (Landscape Arch) ist bei einer Stärke von ca. 2 m über 100 m breit. Immer wieder stürzen auch solche Bögen ein, zuletzt im August 2008 der Wall Arch, der mit 10 m Höhe und 22 m Breite zu den eher großen zählte. Der Broken Arch wirkt trotz seines Namens noch sehr stabil, und wir können ganz relaxed in seinem Schatten eine Pause machen.

 

                      

Wieder "daheim", sitzen wir noch eine Weile draußen und genießen die Abendsonne. Heute gibt es Pizza, die wir bei einem kurzen Stopp in Moab gekauft haben.


Dienstag, 5. Mai – Arches National Park

Wir stehen heute wieder zeitig auf und sind um kurz vor neun am Trailhead im Devil's Garden Bereich des Nationalparks. Wir wollen zum Double O Arch, ein laut Reiseführer nicht ganz einfacher Weg, der teilweise erklettert werden muss und über glatten Felsen führt. Es ist richtig: der Weg ist kein Spaziergang, aber mit guten Wanderschuhen und etwas Trittfestigkeit ist er halbwegs problemlos zu schaffen. Außerdem entschädigt die grandiose Kulisse für alle Anstrengungen. Klettern ist nun wahrlich nicht meine Passion, aber für die einzigartigen Eindrücke auf dieser Wanderung würde ich auch noch weitaus schwierigere Passagen in Kauf nehmen. Zudem entwickle ich auch langsam eine gewisse Freude daran, immer noch ein Stück höher empor zu steigen.

                      

Bis zum Landscape Arch ist der Weg sehr moderat, aber dann beginnt der schwierige, aber auch wunderschöne Teil. Die Eindrücke und die Großartigkeit der Landschaft lassen sich nicht in Worte fassen. Immer wieder bleiben wir stehen und versuchen, alles in uns aufzunehmen, denn kein Foto und kein Film kann wiedergeben, was wir hier zu sehen bekommen.

               

                      

Glücklicherweise sind noch nicht viele Leute unterwegs, und wir sind meist allein. Auf dem Rückweg ist das schon ganz anders, da kommen uns all die entgegen, die entweder lange geschlafen haben oder aber eine längere Anfahrt in den Park hatten (Die Hotels liegen alle außerhalb des Nationalparks.) Wir sind froh, dass wir früh genug dran waren. Mittlerweile ist es ein Uhr Mittags und das Thermometer zeigt 32° Cel. Wir können nur diejenigen bedauern, die sich erst jetzt auf den beschwerlichen Weg machen – und das sind nicht wenige!

Als wir nach vierstündiger Wanderung wieder beim Auto ankommen, ist die Straße, soweit man sehen kann, von parkenden Autos gesäumt. Heute Morgen standen vielleicht zehn Autos hier, jetzt sind es hunderte. Wir hätten nicht gedacht, dass zu dieser frühen Jahreszeit schon so viele Besucher unterwegs sind.

Bei der Ausfahrt aus dem Park halten wir noch einigen Viewpoints, aber mehr noch versuchen wir, das Gesamtbild in uns aufzunehmen. Die Felsformationen vermitteln immer wieder neue Assoziationen. Manche sehen aus wie der Felsentempel von Abu Simbel, andere wie eine Gruppe miteinander tuschelnder Menschen, die nächsten erinnern an die Akropolis, an eine ausgestreckte Hand oder an den Kopf von Bert aus der Sesamstraße … Auch wenn ich mich wiederhole: Es ist einfach faszinierend.

                      

  

Nachmittags fahren wir in den Canyonlands National Park. Auch hier hat die Erosion über Jahrmillionen die Landschaft geformt, aber wieder ganz anders als im Arches National Park, obwohl diese beiden gar nicht weit voneinander entfernt sind. Die Landschaft im Canyonlands N.P. sieht aus, als habe Christo hunderte von Reichstagen nebeneinander verhüllt und das ganze in roten Stein gehauen.

                         

Kurz vor dem Parkeingang finden wir einen sehr schön gelegenen Campground (Canyonlands Needles Outpost). Inmitten der roten Felsen und des roten Sandes fühlt man sich hier fast nach Australien versetzt. Als wir nach dem Sonnenuntergang noch draußen sitzen, fliegen winzige Schwalben auf der Jagd nach Insekten ganz dicht an unseren Köpfen vorbei.

  


Mittwoch, 6. Mai – Canyonlands National Park

Heute benutzen wir die Campingplatzduschen. Die sind wesentlich großzügiger und damit komfortabler als die sanitären Anlagen im Wohnmobil. Obwohl die Duschdauer per Chip begrenzt ist, gibt es keinen Stress, und wir können lang genug unter dem warmen Wasser stehen.

Die Idee, hier am Campground auch noch zu tanken, geben wir allerdings auf. Die Gallone (= 3,8 Liter) Benzin kostet über fünf Dollar, an normalen Tankstellen bekommen wir sie für zwei. Da ist die Monopolstellung doch etwas zu sehr ausgereizt, und unser Tank ist glücklicherweise noch halbwegs gut gefüllt.

Nach dem Frühstück fahren wir in den Nationalpark hinein, um ein Stück zu laufen. Wir entscheiden uns für den Slick Rock Trail. Weite Blicke über die Formationen des Canyonlands wechseln sich ab mit Kletterpartien über glatte Felsen (Slick Rocks). Wir sind wieder fast allein, und als wir uns entscheiden, den empfohlenen Rundweg in umgekehrter Richtung zu laufen, treffen wir niemanden mehr.

  

Zwischen den Felsen gibt es immer wieder kleine bewachsene Stellen. Teilweise wirkt es wie ein angelegter Garten, den kein Gärtner besser und harmonischer hätte gestalten können. Es blühen viele Pflanzen, und auf den Steinen sonnen sich Eidechsen, die flüchten, wenn wir uns nähern.

     

Wie schon im Arches National Park, ist der Trail durch kleine Steinhäufchen, sog. Cairns, gekennzeichnet, und manchmal müssen wir konzentriert suchen, um das nächste Zeichen zu finden.

                   

   

Die Felsen hier im Canyonlands N.P. sind nicht ganz so farbintensiv wie die im Arches N.P., dafür gibt es aber mehr Gesamteindrücke vom Landschaftsaufbau, und wir können in wahrhaft tiefe Schluchten schauen. Mit unseren Schatten bilden wir Petroglyphen nach, das sind in Stein gekratzte Bilder und Symbole aus prähistorischer Zeit, von denen man auch hier in Utah einige findet.

Insgesamt sind wir wieder einige Stunden unterwegs, bevor wir uns auf die Weiterfahrt nach Süden zum Monument Valley machen. Gleich hinter der Nationalparkgrenze gibt es den sogenannten Newspaper Rock, einen Felsen mit besonders vielen, diesmal den echten, Petroglyphen.

  

Der Weg führt uns durch Blanding nach Süden und über die Comb Ridge in Richtung Mexican Hat. Die Gegend ist mit rotem Sand gepudert so weit das Auge reicht, manchmal mit kargen Büschen gespickt, und ab und an sieht man auch Vieh auf der Weide. Kurz vor dem Monument Valley überqueren wir den San Juan.

Das Monument Valley liegt auf dem Colorado Plateau an der südlichen Grenze zwischen Utah und Arizona in der Nähe der Ortschaft Mexican Hat. Es ist Indianergebiet und wird von Navajos verwaltet. Auch die Infrastruktur vor den Toren des Parks ist fest in der Hand einer Navajo-Familie, den Gouldings, der quasi der gesamte Ort von Hotel über Restaurant, Laden, Kino, Tankstelle, Flughafen, Schule und Krankenhaus zu gehören scheint. Der Campingplatz ist auf jeden Fall sehr angenehm, gut gepflegt und schön angelegt zwischen den Ausläufern der eindrucksvollen Felsen des Monument Valleys!


Donnerstag, 7. Mai – Monument Valley und Valley of the Gods

Spektakulär erheben sich die Tafelberge des Monument Valley vor uns. Aus alten Filmen ist der Blick teilweise vertraut, schon vor dem zweiten Weltkrieg drehte John Ford seine Western in diesem Tal, und John Wayne war Stammgast hier. Aber auch für Sergio Leones  "Spiel mir das Lied vom Tod" war das Monument Valley Kulisse, und Dennis Hopper und Peter Fonda fuhren in "Easy Rider" durch eben diese Landschaft.

                     

Man kann sich auf der Ladefläche eines Jeeps durch das Tal fahren lassen, aber wir ziehen es vor, die 17 Meilen im eigenen Auto zu bewältigen. Das ist an einigen Stellen durchaus heikel, weil der Sand sehr tief ist. Aber wir haben Glück und bleiben nirgendwo stecken.

Die Fahrt ist grandios, immer wieder halten wir an um zu schauen und zu fotografieren, ein Motiv ist schöner als das andere. Auch nach rigorosem Aussortieren sind immer noch über hundert Fotos übrig geblieben, die ganz besonders toll sind.

      

                           

Unser heutiges Ziel ist der Colorado. Auf der State Road 261 wollen wir nach Norden über das Plateau fahren. Vorher machen wir aber noch einen kleinen Umweg durch das Valley of the Gods, das Tal der Götter, ein Tal, das in seiner Erscheinung und in seiner Beschaffenheit dem Monument Valley ähnelt, das aber sehr viel rauer und touristisch nur wenig erschlossen ist. Die Navajos glauben, dass Felsformationen mächtige Orte sind, in denen die Geister wohnen, und im Valley of the Gods findet man einige der bemerkenswertesten. Diese imposanten Monolithen sind nach Navajo-Glauben zu Stein gewordene Krieger, deren Kraft und Stärke jungen Kriegern helfen und sie beschützen kann.

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Die knapp 20 Meilen lange Fahrt über die unbefestigte Straße ist wunderschön. Während man im Monument Valley schon manchmal den Eindruck hatte, durch eine Filmkulisse zu fahren, weil alles so perfekt, fast unwirklich imposant war, fühlen wir uns hier näher an der Wirklichkeit und vermögen die Erhabenheit der Felsen besser zu spüren. Wir können gut verstehen, dass die Navajos diesen Bergen eine besondere Bedeutung geben.

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Am westlichen Ende des Valley of the Gods biegen wir in die SR 261 ein. Eigentlich dachten wir, dass wir nun die unbefestigten Straßen hinter uns gelassen haben und ein wenig schneller voran kommen – aber weit gefehlt. Kurz hinter dem Abzweig beginnt der Moki Dugway, eine nicht geteerte Passstrasse, die sich in abenteuerlichen Serpentinen auf die ca. 300 Meter höher liegende Cedar Mesa hinaufwindet.

Danach geht es dann gemütlicher weiter über das Colorado Plateau. Die Gegend vermittelt Western-Charme, rechts und links der Straße grasen Rinder.

Vorbei am Natural Bridges Monument und am Fry Canyon fahren wir zum Colorado. Hier in der Glen Canyon National Recreation Area fließt er noch träge durch seine in Jahrmillionen gegrabene Schlucht, er ist noch nicht zum Lake Powell aufgestaut, und er hat auch noch nicht den spektakulären Grand Canyon erreicht. Trotzdem ist das Panorama beeindruckend.

                  

Nach einigem Suchen und Hin- und Herfahren finden wir in Hite einen Platz am Ufer zum Übernachten. Hite kann man kaum als Ort bezeichnen, aber es gibt angelegte Übernachtungsplätze, eine kleine Marina, eine Tankstelle und einen kleinen Laden, der aber nur ab und an geöffnet hat. Alles wirkt sehr verschlafen, fast unbelebt, obwohl es hier zwischen Page und Moab, d.h. im Umkreis von 150 Meilen die einzige Möglichkeit gibt, den Fluss zu überqueren. Uns soll es nicht stören, wir genießen heute Nacht den Vollmond über dem Colorado.


Freitag, 8. Mai – Capitol Reef National Park

Vertraute Geräusche begleiten uns, als wir früh am Morgen mit unseren Kaffeebechern in der Hand zum Fluss hinunter gehen. Am Ufer des Colorado landen gerade laut schnatternd einige Kanadagänse – ein stimmungsvoller Start in den Tag.
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Für ein ganzes Frühstück draußen ist es aber leider zu kalt, und außerdem ist der Picknicktisch, der hier steht, voll mit Vogeldreck. Also genießen wir die Umgebung durch das Fenster unseres RV's.

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An der Tankstelle im Örtchen können wir tanken, dumpen und Wasser nachfüllen, und rundum versorgt machen wir uns auf den weiteren Weg. Glücklicherweise kann man auch hier – wie fast überall auf unserer bisherigen Fahrtroute – direkt an der Tanksäule mit Kreditkarte bezahlen, man ist also nicht auf Öffnungszeiten angewiesen. Die Tankstelle mit dem angeschlossenen Laden hat nämlich geschlossen, und es ist auch nicht ersichtlich, wann sie öffnen wird.

Von Hite aus fahren wir über Hanksville zum Capitol Reef National Park. Nachdem wir die roten Felsen des Colorado Canyons hinter uns gelassen haben, wird die Landschaft etwas offener. Verstreut über eine weite Ebene finden sich hellere Gesteinsformationen, die sich, je näher man zum Capitol Reef N.P. kommt, wieder deutlich rot färben.

                      

Abgesehen von Hanksville gibt es hier im Umkreis von mehr als hundert Meilen keine nennenswerten Ortschaften. Obwohl die Landschaft sehr attraktiv ist und es rechts und links der Strecke viele sehenswerte Canyons mit Felsbögen und Slots gibt, die sich nicht unbedingt hinter den berühmteren verstecken müssen, bleibt diese Gegend unerschlossen. Wir sind einmal mehr überrascht darüber, dass es in den USA, wie hier in Utah und in Arizona noch so viele einsame, menschenleere und vom Tourismus unberührte Landstriche gibt. Das hatten wir nicht erwartet.

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Den Capitol Reef N.P. erkunden wir in erster Linie vom Auto und vom Campingstuhl aus. Wir haben heute keine rechte Lust zum Laufen. Die Landschaft wirkt in gewisser Weise unaufgeräumt – "Under Construction". Es sieht aus, als müssten noch die Mauern glatt verputzt und der "Bauschutt" weggeräumt werden.

     

Am Nordrand des Grand Staircase – Escalante National Monuments mit wundervollen Blicken auf die beeindruckenden geologischen Strukturen dieser Gegend fahren wir über Boulder und Escalante nach Rubys Inn am Bryce Canyon. Hier ist gut für Touristen gesorgt. Neben dem Campground gibt es ein Hotel, Restaurants und jede Menge Souvenirläden. Und wir genießen es, heute einmal nicht im WoMo zu essen, sondern uns bedienen zu lassen. Das ist natürlich relativ zu sehen, denn im Restaurant gibt es Essen vom Buffet J.


Samstag, 9. Mai – Bryce Canyon

Nach einem geruhsamen Start in den Morgen fahren in den Bryce Canyon hinein.

                                    

Während wir im Arches National Park und im Monument Valley die Erhabenheit der Felsformationen bewundert haben, besticht dieser Canyon eher durch seine filigranen Strukturen. Er wirkt fast zierlich, und seine hellen Türmchen lassen uns an Disneyland und Cinderellas Schloss denken.

                      

Vom Sunset Point aus folgen wir dem Queens Garden Trail steil hinunter in den Canyon. Der Anblick ist faszinierend, ein Postkartenmotiv nach dem anderen. Dieser Urlaub ist ein Urlaub der Bilder, all das, was wir hier sehen, lässt sich mit Worten kaum beschreiben. Ich suche ständig nach einer weiteren Steigerung in der Schilderung, kann mich am Ende aber immer nur wiederholen. Da müssen die Fotos für sich sprechen.

     

Natürlich müssen wir aus dem Canyon auch wieder hinaus, und der Aufstieg ist leider genauso steil wie der Abstieg. Glücklicherweise ist es nicht so heiß, und trotz der gut 2600 Meter Höhe fällt uns der Weg nicht allzu schwer. Und wenn wir zwischendurch einmal außer Atem sind, bleiben wir halt stehen und genießen die imposante Landschaft. Standpunkte dafür gibt es wahrlich genug. Die Farb- und Gesteinskomposition, die Mutter Natur sich hier ausgedacht hat, ist einfach genial!

Am Nachmittag fahren wir weiter Richtung Zion National Park. Die Fahrt ist eher langweilig, oder sagen wir: geruhsam. Denn es ist durchaus entspannend, auch mal durch grünes Farmland zu fahren und keine Highlights anschauen zu müssen. Das ändert sich aber schon schnell wieder, als wir in den Zion N.P. hineinfahren. Fotoapparat und Filmkamera werden abwechselnd angeworfen, um die Eindrücke einzufangen. Hier sehen die Felsen wieder ganz anders aus als in den anderen Nationalparks, die wir schon gesehen haben.

                                                         

     

Wir kommen von Osten her in den Zion N.P. und müssen zwei Tunnel durchqueren. Der zweite ist so eng, dass es nur im Konvoi hindurch geht und wir uns an die Mittellinie halten müssen, um nicht seitlich anzustoßen, obwohl wir mit unserem Fahrzeug ja noch nicht zu den richtig Großen zählen!

Mittlerweile ist später Nachmittag, und wir sind wieder weit aus dem Park heraus gefahren, um im Zion River Resort einen sehr angenehmen Platz für die Nacht zu finden. Die Zeit bis zum Abendessen verbringen wir am Pool.


Sonntag, 10. Mai – Glen Canyon Staudamm und Upper Antelope Canyon

Ursprünglich wollten wir in eine der engen Schluchten, für die der Zion National Park bekannt ist. Aber hier sind Massen von Menschen unterwegs, und die Shuttlebusse (Man darf nicht den gesamten Park mit Privatautos befahren!) karren unermüdlich Wanderer zu den Trailheads. Der Verzicht auf die Wanderung ist zwar schade, aber solche Massenveranstaltungen machen uns keinen Spaß. Wir wissen nicht, ob das hier immer so ist oder ob es am Mother's Day Weekend liegt (Heute ist Muttertag.)

Nun wie dem auch sei, wir fahren weiter nach Südwesten in Richtung Page. Die Landschaft, durch die wir fahren, erscheint uns eher öde, und auch ein nachträgliches Studium der Fotos, die wir sporadisch gemacht haben, ergibt nichts Spektakuläres. Vielleicht sind wir schon zu verwöhnt. Zumindest nimmt mit jeder Meile Abstand vom Zion auch die Anzahl der "Mitreisenden" ab. Nachdem wir Kanab passiert haben, einen kleinen Ort in Utah nahe der Grenze zu Arizona, durchqueren wir die Paria Wilderness.

                          

Die Gegend wirkt besonders unwirtlich, fast außerirdisch. Für ambitionierte Wanderer gibt es hier besonders interessante Felsstrukturen zu bestaunen, die Coyote Buttes im Paria Canyon. Die bekannteste Form heißt The Wave, weil die Auswaschungen ein wellenförmiges Muster hervorgebracht haben. Das sieht alles sehr faszinierend aus, aber der Trailhead ist weit von der Straße entfernt, und für den wirklich interessanten Teil gibt es nur eine limitierte Anzahl Permits, die man Monate vorher im Internet erwerben muss. Solch ein Permit haben wir natürlich nicht, und so erleben wir diese Gegend nur en passant aus dem Auto heraus. Bei mittlerweile schon deutlich über 30° Cel. ist das vielleicht auch nicht die schlechtere Alternative.

In Page allerdings steigen wir aus und besichtigen den Glen Canyon Staudamm, ein monumentales Bauwerk, das den Colorado River zum Lake Powell, dem zweitgrößten Stausee der USA, aufstaut. Der Staudamm wurde 1964 fertiggestellt, die Stadt Page entstand aus einem Camp für die am Bau beteiligten Arbeiter. Im Carl T. Hayden Visitor Center erfährt man alles Wissenswerte. Dafür muss man allerdings durch einen Sicherheitscheck wie beim Flughafen. Wir schließen uns einer Führung an, die ganz individuell wird, weil außer uns nur noch zwei weitere Leute teilnehmen. Es ist sehr interessant und informativ.

     

Der eigentliche Grund dafür, dass wir nach Page gefahren sind, ist aber nicht der Staudamm, sondern es sind die Antelope Canyons ganz in der Nähe, sogenannte Slot-Canyons, die sich sehr eng und gedreht durch die Landschaft winden. Die Canyons befinden sich auf Navajo-Gebiet, man muss Eintritt bezahlen und darf die Canyons auch nur mit einem Guide besuchen. Das kostet dann noch einmal extra. Aber die Ausgabe lohnt sich!


Wir entscheiden uns, heute noch den oberen der beiden, den Upper Canyon, anzuschauen.

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Um zum Eingang zu gelangen, werden wir mit einem Geländefahrzeug ca. 15 Minuten lang durch ein versandetes Flussbett gefahren. Unser Guide am Steuer gibt kräftig Gas, und wir werden heftig durchgerüttelt.

   

Wieder haben wir das Glück der kleinen Gruppe. Drei junge Männer sind mit von der Partie, davon zwei aus Deutschland. So können wir in aller Ruhe die sanften, geschwungenen Formen bewundern, die die Natur hier geschaffen hat. Es ist nicht vorstellbar, wie so etwas entstehen kann. Einmal mehr fehlen Worte für die Beschreibung. Nach jeder Windung sieht es anders aus. An vielen Stellen glaubt man, dass es nicht weiter geht, aber wenn man genauer hinschaut, findet man doch einen schmalen Spalt, durch den man sich hindurch winden kann.

      

         

Als wir zurückkehren, ist es schon fast Abend, und wir fahren wieder auf die andere Seite des Staudamms zur Wahweap Marina am Lake Powell. Hier gibt es einen großen Campground. Zwar wird WiFi angeboten, aber die Verbindung ist so instabil, dass Verwandte und Freunde heute vergeblich auf meinen gewohnten Blog-Eintrag warten müssen.


Montag, 11. Mai – Lower Antelope Canyon

Page ist ein Ort mit allen Versorgungseinrichtungen, die man sich so vorstellen kann, unter Anderem mehr als zehn Kirchen verschiedener Glaubensrichtungen, alle nebeneinander aufgereiht an einer Straße. Hier wird besonders deutlich, dass dieser Ort nicht über einen langen Zeitraum natürlich gewachsen ist. 

Im Safeway Supermarkt füllen wir noch unsere Vorräte auf. Und weil es darüber schon ziemlich spät geworden ist, überlegen wir mit einem halben Gedanken, ob wir nicht auf den Lower Antelope Canyon verzichten sollen.

Glücklicherweise entscheiden wir uns für den Besuch! Es ist Mittag und laut Reiseführer genau das richtige Licht für eine Besichtigung. Als wir ankommen,  warten schon einige Leute auf die nächste Tour.

                        

Auch in diesen Canyon gelangt man nicht auf eigene Faust. Es sind – wie häufiger hier – viele deutsche Stimmen zu hören.

Wir müssen nicht lange warten, und unser Guide, ein junger Navajo, winkt zum Aufbruch. Er hängt sich seine Gitarre um und geht vor. Vor einer sehr schmalen Felsspalte bleibt er stehen und bedeutet uns, dort hinein zu klettern.

      

Kaum zu glauben, aber wir passen hindurch, und es ist tatsächlich der Zugang zu einem faszinierenden, korkenzieherartigen Canyon. Der Einstieg (es geht immer weiter nach unten) ist nicht überall einfach, an den schwierigsten Stellen sind Stahlstufen in den Fels eingelassen. Nachdem hier vor einigen Jahren 25 Menschen bei einer plötzlichen Springflut ertranken, hat man ein wenig für die Sicherheit getan. Es wurde ein Notausstieg angelegt, aber so diskret, dass die Atmosphäre des Canyons unberührt blieb.       

Immer tiefer winden wir uns in die Erde. An manchen Stellen muss man sich um überhängende Felsen schlängeln, an anderen durch enge Spalten quetschen, in denen gerade mal genug Platz ist, um einen Fuß hinein zu stellen – wenn er nicht allzu breit ist! Aber das Licht und die Eindrücke sind faszinierend.

          

          

Unser Guide sagt nicht viel, er lässt uns filmen und fotografieren und staunen – aber er spielt auf seiner Gitarre und singt dazu. Und auch wenn es sich noch so kitschig anhört, das ist brillant!

Hier ist ein kleiner Eindruck:

Antelope.mp3

         

Diese Begleitung ist genau die richtige, um sich vom Spiel der Formen, der Farben und des Lichtes verzaubern zu lassen, ganz abgesehen davon, dass in diesem Höhlensystem die Akustik hervorragend ist. Glücklicherweise wissen auch die anderen Mitglieder unserer Gruppe das zu schätzen. Niemand redet oder fühlt sich bemüßigt, dumme Sprüche zu machen. Dieser Canyon ist einfach atemberaubend. Wir fühlen uns klein vor all dieser Großartigkeit, und ich befürchte, dass es trotz der vielen Fotos schwierig sein wird, diese Eindrücke für die Zukunft fest zu halten.

    

    

Es fällt schwer, aus dieser bezaubernden Kulisse wieder in die Wirklichkeit hinauf zu steigen.

Unten im Canyon war es angenehm kühl, aber auf dem kurzen Rückweg zum Auto klettert das Thermometer an Ulrichs Rucksack schnell auf über 40° Cel.

     

Es ist mittlerweile zwei Uhr nachmittags, und wir machen uns auf den Weg zum Grand Canyon, unserem nächsten Ziel.Die gesamte Strecke führt wieder durch Indianergebiet. Es ist sehr karg, und wir können uns nicht vorstellen, wovon die Leute hier leben, sieht man einmal ab von den Schmuck- und Souvenirverkäufen an Touristen.

Gegen 16.00 Uhr sind wir am Grand Canyon. Auf dem Desert View Campground finden wir sogar noch einen Platz, zwar ohne jeglichen Komfort, aber dafür schön gelegen.  Die Mechanisierung schreitet auch in den Nationalparks voran, und so müssen wir an einem Automaten mit Sprachausgabe für den Platz einchecken. Das ist zwar reichlich kompliziert, und die deutsche Übersetzung, die ich gewählt habe, ist eher Comedy als eine verständliche Anweisung, aber letzten Endes kommen wir zu dem Stellplatz, den wir wollten.

                                                                          

                                            

Die Temperaturen erlauben gerade noch ein Abendessen im Freien, aber bald wird es auch schon zu kühl. Immerhin sind wir ja wieder ca. 2500 Meter hoch.


Dienstag, 12. Mai – Grand Canyon

Vielleicht ist der Grand Canyon doch ein wenig zu groß für uns oder zu groß für die wenige Zeit, die wir ihm opfern wollen. Dieser Canyon besticht nicht kleinteilig durch spektakuläre Blicke oder Felsstrukturen. Er lebt von seiner Größe. 450 km lang zieht er sich durch Arizona, er ist an der schmalsten Stelle  6 km breit und der breitesten 30 km. An seinen Rändern geht es bis zu 1800 Meter steil hinab. Diese Dimension kann man wahrscheinlich nur richtig erfassen, wenn man den Canyon durchwandert oder ihn überfliegt.

             

    

Beides tun wir nicht, wir fahren mit dem Shuttlebus die South Rim entlang, die südliche Kante, laufen auch ein Stück, aber alles in allem bleibt der Besuch eher enttäuschend bis auf die wenigen Augenblicke, in denen wir bewusst hinunter schauen und uns klar machen, dass wir nun 1,3 km tief nach unten blicken und dass der ganze Canyon so lang ist wie die Entfernung von Berlin bis fast ins Ruhrgebiet. In diesen Momenten bekommen wir eine leise Ahnung von den wirklichen Dimensionen dieses Naturwunders. Es bleibt ein Gefühl der verpassten Chance, so nach dem Motto: "Wenn man schon einmal hier ist, …". Aber letzten Endes fühlen wir uns auch inmitten dieser Menschenmassen nicht wohl, und um ihnen zu entfliehen, braucht man wieder mehr Zeit. Vielleicht kommen wir eines Tages hierher zurück und bleiben dann lang genug, um den Grand Canyon angemessen zu würdigen.

Heute Nachmittag machen wir uns noch auf den Weg Richtung Las Vegas. Wir übernachten in Williams, dem Startpunkt der Grand Canyon Railway. Der Grand Canyon Railway RV Park ist sehr sauber, fast schon steril. Aber es gibt Gasgrills, und Ulrich hat im Supermarkt exzellente Steaks gekauft!


Mittwoch, 13. Mai – Über die Route 66 nach Las Vegas

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Von Williams aus fahren wir ein kurzes Stück auf dem Highway # 40, verlassen ihn aber in Seligman, um auf der alten Route 66 in Erinnerungen an die 60’er und 70’er Jahre zu schwelgen.  Easy Rider, die Vision von der großen Freiheit, das Blubbern einer Harley, …  – Jugendträume
J

    

Wir müssen unsere Fantasie ganz schön anstrengen, um diese alten Träume aufleben zu lassen, aber nachdem wir Seligman mit dem Touristenschrott hinter uns gelassen haben, rollen wir gemütlich durch die Weite Arizonas. Es geht Meile um Meile immer geradeaus, entgegenkommende Fahrzeuge spiegeln sich in der flirrenden Sonne, einzelne Windhosen zeigen sich, und wenn auf den kargen Feldern gearbeitet wird, ist die Staubwolke weithin sichtbar. Wer immer hier einen Führerschein macht, muss das Kurvenfahren woanders üben.

                     

Entlang der Straße verläuft eine Bahnlinie, und unsere Fahrt wird begleitet von einem Güterzug mit sage und schreibe 179 Waggons, davon mehr als die Hälfte doppelstöckig mit Containern beladen. Immer wieder hören wir ihn pfeifen. An Steigungen haben die sechs Lokomotiven (vier vorne und zwei hinten) durchaus zu kämpfen, aber im Gefälle holen sie die uns gegenüber verlorene Zeit immer wieder auf.

    

In Kingman gibt es ein Aircraft Storage/einen "Friedhof" für unbenutzte Flugzeuge. Auf dem Mojave Airport sind dutzende von ausrangierten Flugzeugen deponiert. Hier im trockenen Wüstenklima Arizonas sind sie vor Korrosion geschützt und können so Jahre (wenn nicht noch länger) überdauern. Es gibt an mehreren Orten in Arizona solche "Flugzeuglager". Die Maschinen werden hier konserviert, wenn ihr Betrieb wegen der geringen Auslastung der Airlines nicht mehr wirtschaftlich ist.

Auf dem Highway #93 fahren wir weiter Richtung Las Vegas. Es gibt immer noch keine nennenswerten Kurven. Die Straße verläuft schnurgerade am Rande der Mojave-Wüste entlang, rechts und links wachsen Yuccas, Joshua Trees und Kakteen.

Kurz vor Las Vegas fahren wir über den Hoover Dam, die zweite große Staumauer, die den Colorado aufstaut, hier zum Lake Mead. Vorher müssen wir mit dem Auto durch den Security Check. Ein Beamter kommt herein und schaut in Schränke und Bad. Wir wissen nicht genau, ob er Sprengstoff oder blinde Passagiere sucht. Aber wir dürfen weiterfahren. Die Gegend um den Damm ist eine einzige große Baustelle, es wird eine Brücke gebaut, die die Staumauer vom Autoverkehr entlasten soll.

     

                           

Dann endlich ist Las Vegas in Sicht. Wir haben uns für die vielleicht nicht sehr romantische, aber durchaus praktischste Übernachtungsvariante entschieden: den mitten im Zentrum von Las Vegas gelegenen Circus Circus KOA RV Park. Er hat den Charme eines Supermarktparkplatzes, liegt aber nur ein paar Schritte vom berühmten Strip entfernt, der Hauptstraße mit den bekannten Hotels und Casinos.

Es ist später Nachmittag, und bei vielleicht 40° Cel in der Sonne stürzen wir uns ins Gewühl. Die erste Hürde ist schon das Circus Circus, das Hotel, an dem der RV Park liegt und durch das wir hindurch gehen wollen, um zur Straße zu kommen. In Reiseführern hatten wir gelesen, die Hotels in Las Vegas würden ihre Ausgänge verstecken, weil die Betreiber ein großes Interesse daran hätten, dass die Gäste im Haus bleiben und die dazugehörigen Casinos und Restaurants besuchen. So richtig geglaubt haben wir das nicht, bis wir selbst hier herumirren und eigentlich nur durch Ulrichs Orientierungssinn in die richtige Richtung und dann auch zum Hauptausgang finden. Obwohl das Circus Circus nicht zu den ganz großen Häusern in Las Vegas gehört, passieren wir hunderte von Spielautomaten in verschiedenen Sälen, es gibt eine weitläufige Ladenpassage und mehrere Restaurants.

Dank unserer Beharrlichkeit stehen wir dann irgendwann doch am Strip. Wir kaufen Fahrkarten für den Shuttlebus, der regelmäßig die Hotels abklappert. Manche Entfernungen sind doch zu groß zum Laufen.

             

Und dann schauen wir uns staunend einige Hotels an und können nur immer wieder mit dem Kopf schütteln über diese Verschwendung, diesen Pomp, diese glitzernden Fassaden, die dort aufgebaut werden, und die unzähligen Spielautomaten, die Roulette- und Black Jack Tische – und sicherlich noch viele Glücksspielmöglichkeiten, die wir gar nicht kennen. In den Spielbereichen der Hotels herrscht immer Nacht. Sobald man diese Regionen betritt, taucht man in ein Schummerlicht ein, das einen unabhängig von der Tageszeit macht. Zeit zum Spielen ist halt 24 Stunden am Tag. Natürlich setze ich mich auch an einen einarmigen Banditen und bin sehr enttäuscht, dass mein magerer Gewinn gar nicht mehr in klingender Münze aus dem Apparat kommt, sondern nur als Ausdruck eines Zahlscheins.

               

Im Bellagio essen wir zu Abend in einem offenen Restaurant mit Blick auf die Spielautomaten. Das Publikum ist sehr gemischt, vom Jogginganzug bis zu Smoking und Abendkleid, von Birkenstocklatschen bis hin zu High Heels ist alles vertreten. Das macht das Essen recht kurzweilig.

Als wir wieder herauskommen, ist es dunkel geworden, und die Lichter, die natürlich schon den ganzen Tag brannten, sind nun viel besser zu sehen. Die Leuchtreklamen glitzern mit der Beleuchtung der Hotels, Bars und Restaurants um die Wette. Auch die Straßen füllen sich zusehends, und vor dem ein oder anderen Hotel gibt es kleinere Shows. Die großen finden natürlich in den Hotels statt und kosten Eintritt. Das öffentliche Leben in Las Vegas ist locker, überall darf geraucht werden, und auf den Straßen wird offen für Prostitution geworben – wir haben einen ganzen Stapel von Angebotskarten mit Fotos, Preisen und Telefonnummern gesammelt. An manchen Straßenecken steht gleich eine ganze Reihe von Leuten hintereinander, die einem diese Offerten in die Hand drücken.

       

   

                                                        

Wir lassen uns treiben und können uns einer gewissen Faszination nicht entziehen, diese schillernde Welt ist einfach eindrucksvoll. Und als dann Elvis‘ "Viva Las Vegas" über die Straße schallt und am Bellagio im Rhythmus der Musik Wasserfontänen in den Himmel steigen, sind wir völlig hingerissen.

Hier kann man das Video dazu sehen!

Später am Abend fahren wir noch in die Fremont Street, ins alte Las Vegas. Hier war lange Zeit das Zentrum der Vergnügungsindustrie, hier gibt es die traditionellen Casinos, wie das berühmte Golden Nugget.

                      

   

Und hier gibt es das Fremont Street Experience: Auf ca. 300 m ist die Straße mit einem Display aus 12,5 Millionen Leuchtdioden überdacht, aus 280 Lautsprechern gibt es 540 Kilowatt Musikleistung. Das wussten wir vorher nicht und sind daher richtig erstaunt und gespannt, als irgendwann plötzlich das Licht ausgeht, einzelne Blitze über diesen künstlichen Himmel zucken, und dann in ohrenbetäubender Lautstärke Freddy Mercury  und Queen mit „We will rock you“ zu hören sind. Dazu läuft die passende Lightshow über den Himmel. Wie kleine Kinder stehen wir staunend da und können uns nicht satt sehen, und als auch noch „We are the champions“ folgt, würden wir glatt unsere Feuerzeuge schwenken, wenn wir welche hätten.

Das Video kann nur einen sehr unzureichenden Eindruck vermitteln - aber hier ist es!

Mit dem Bus fahren wir zurück an den Strip und zu unserem RV Park. Ich hätte nicht gedacht, dass uns Las Vegas so gut gefällt. Noch auf der Herfahrt haben wir überlegt, ob wir überhaupt Lust auf so viel Stadt haben und sind mit eher gemischten Gefühlen hierher gefahren. Nur gut, dass wir uns "überwunden" haben, denn wir hätten etwas wirklich Sehenswertes verpasst.


Donnerstag, 14. Mai – Von Las Vegas in die Mojave Wüste

Ulrich geht es heute Morgen nicht gut, er hat Schwindelanfälle. Auf diese Weise lernen wir nun auch noch die Urgent Care von Las Vegas kennen. An der Campingplatzrezeption hat man uns den Weg dorthin beschrieben, es ist nicht sehr weit. Nach einer Anfangsuntersuchung müssen wir eine Weile warten. Im Wartebereich gibt es keine Zeitschriften, sondern Kung Fu Filme im Fernsehen. Dann werden wir in ein kleines Untersuchungszimmer gebeten. Hier herrschen Temperaturen wie im Kühlhaus, und weil wir auch hier zwischen den Untersuchungen immer wieder warten müssen, haben wir schon Sorge, nun erst richtig krank zu werden. Eine Schwester gibt uns große Betttücher, die wir uns umhängen. Nur gut, dass uns keiner sieht! Die Diagnose des Arztes heißt: Vertigo (Schwindel) – als ob wir das nicht auch selber wüssten. Aber es gibt offenbar keine ernste Ursache. Ulrich bekommt ein Antihistamin verschrieben, und dann sind wir wieder entlassen. Ein wenig Mühe kostet es noch, die Medizin auch zu bekommen. In der Apotheke im Supermarkt (in den USA durchaus üblich) sind die Computer ausgefallen, und dann können sie keine Medikamente herausgeben. Das erfahren wir allerdings erst, nachdem wir schon eine halbe Stunde gewartet haben. In einer anderen Apotheke haben wir mehr Glück, aber auch hier ist die Prozedur kompliziert. Die Tabletten werden von einem Apotheker abgezählt und individuell verpackt, es werden "Begleitscheine" ausgedruckt, und dann wird der ganze Vorgang von einem anderen geprüft, es werden neue Papiere ausgedruckt und die Tabletten noch einmal umgefüllt. Und dann endlich nach bestimmt 20 Minuten kann ich das Medikament in Empfang nehmen. Andere Kunden, die in der Nähe stehen, werden außer Hörweite geschickt und ich werde über die Nebenwirkungen informiert. Als der Apotheker hört, dass ich aus Deutschland komme, erzählt er noch von seiner süddeutschen Verwandtschaft.

Als wir endlich fertig sind, geht es Ulrich auch ohne Medikament schon besser, und wir fahren noch einmal über den Strip, aber mittags ist er bei weitem nicht so ansprechend wie in der Nacht.

Heute begeben wir uns auf einen neuen Abschnitt unserer Reise. Wir wollen die Gegend der "Erosionsparks" verlassen und an den Pazifik fahren. Uns lockt der Big Sur südlich von San Francisco und Monterey, ein grüner Küstenabschnitt, der ein Refugium für viele Seevögel sein soll.

Zunächst aber müssen wir durch die Wüsten Nevadas und Südost-Kaliforniens. Es ist sehr karg hier, und die Luft steht. Es sind sicherlich 45° Cel.

               

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Weil Ulrich doch noch nicht ganz fit ist, fahren wir nicht so weit, sondern übernachten in Yermo auf dem Calico Koa Campground. Wir bleiben im RV, und die Aircondition läuft auf Hochtouren. Draußen ist es nicht auszuhalten!

    

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Freitag, 15. Mai – Durch die Mojave-Wüste zum Pazifik

Weitere 200 bis 250 Meilen Wüstenfahrt haben wir noch vor uns, bevor wir die Küstenberge Kaliforniens erreichen werden. Das hört sich abenteuerlich an, ist aber eher nur langweilig – schließlich gibt es heutzutage ja Highways mit Wegweisern. Da muss man nicht mehr auf die Sandpiste.

     

So richtig schön ist es hier nicht. Es wird offensichtlich krampfhaft versucht, der Wüste einen kommerziellen Wert abzutrotzen, es gibt große Flächen mit Solarkraftwerken, an einer Stelle wird Borax abgebaut, es gibt eine Militärbasis der Air Force, und in Mojave werden, wie schon in Kingman, alte Flugzeuge gehortet, darunter auch diverse Militärflugzeuge. Man sagt, in Mojave (ein eher kleiner Ort) gibt es mehr F15 als Porsches. Das mag durchaus stimmen.

Auch die Landekapsel eines Spaceshuttles wird hier aufbewahrt – die Stadt hat sich der Fliegerei verschrieben. Wir haben Gelegenheit zu tanken und die Autoscheiben mal wieder von den erlegten Insekten zu befreien.

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Langsam verändert sich die Landschaft. Mittlerweile ist schon eine Grasnarbe auf den Hügeln zu sehen und nicht mehr nur Kakteen und Joshuatrees, und Bakersfield am Ende des Highway #58 besticht gar durch Palmen und üppig blühenden Oleander.

                       

Westlich von Bakersfield tauchen große Plantagen mit Orangen- und Mandelbäumen auf. Das eigentliche Land ist trocken und unfruchtbar, aber mit einem enormen Aufwand an Dünger und künstlicher Bewässerung wird die Ernte abgetrotzt. Wir fahren über den Lerdo Highway ca. 30 Meilen schnurgeradeaus gen Westen. Die Straße ist von Zitrusbäumen gesäumt. Es fehlt nur noch das Ford T-Modell, und die Kulisse für Steinbecks "Früchte des Zorns" wäre perfekt.

                      

     

Es bleibt leider nicht so romantisch. An der Straße liegen auch riesige Milchwirtschaftsbetriebe. In unendlich langen Reihen stehen die Kühe und stecken ihre Köpfe durch eine Art Guillotinenöffnung, vor der ihr Futter liegt. Außer der Beugung des Kopfes beim Fressen ist ihnen offensichtlich keine andere Bewegung zugestanden. Erschreckend!

     

Nun passieren wir noch ein Ölfeld, ...

    

...bevor wir wirklich in die Küstenberge eintauchen. Hier wird Wein in größerem Maße angebaut, und die Weingüter werben mit Besichtigungen und Weinproben. Die Landschaft ist entsprechend grün und hügelig. Wir halten uns allerdings hier nicht weiter auf. Wir wollen ans Meer.

Und nachdem wir Paso Robles hinter uns gelassen haben, stoßen wir südlich von Cambria endlich auf die Küste und den Highway #1. In den nächsten Tagen werden uns die Ausblicke auf Meer und Klippen faszinieren. Im San Simeon State Park, ein paar Meilen weiter nördlich, finden wir einen Platz zum Übernachten. Der Strand ist gut zu Fuß zu erreichen. Nach den vielen heißen und trockenen Tagen ist es schön, einmal wieder das Meer zu riechen und den Wind zu spüren.

                         


Samstag, 16. Mai – Auf dem Highway #1 nach Norden

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Obwohl wir heute Morgen schon nett begrüßt werden von einem Squirrel, das sich neben unserem Auto aus dem Boden buddelt, entschließen wir uns, nicht auf dem Campground zu frühstücken, sondern einen Platz mit Blick auf den Pazifik zu suchen. Squirrel werden wir noch reichlich finden. Sie sind gar nicht scheu, und es gibt sie überall da, wo Menschen sind. Offensichtlich werden sie stets gut gefüttert. Zunächst aber beobachten wir bei Kaffee und Knäcke die Bemühungen der Surfer, sich von den Wellen tragen zu lassen.

Dann beginnen wir unsere Sightseeing Tour auf dem Highway #1 entlang der Pazifikküste. Gleich beim ersten Halt stoßen wir unversehens auf eine Kolonie See-Elefanten. Die Geräusche, die sie von sich geben, sind nicht nur fein, und auch die Duftwolke, die ab und an herüber weht, ist wohl nur für See-Elefanten angenehm – trotzdem ist es toll. Zu der Kolonie gehören bestimmt hundert Tiere. Einige sind im Wasser, viele liegen faul am Strand, und manchmal kommt es zu der ein oder anderen Rangelei.

                    

     

Ein Stück weiter nördlich nehmen wir uns Zeit für einen Spaziergang am Rand der Klippe entlang und dann hinunter zum Strand. Die Blicke übers Meer sind fantastisch, aber auch zu unseren Füßen finden wir viel Interessantes. Der Boden ist dicht bewachsen mit einer Vielzahl von kleinen Blumen – Frühling am Pazifik!

    

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Hier sehen wir zum ersten Mal einen Schwarm Pelikane, der in Zugvogelformation die Küste entlang fliegt. Wir werden so etwas in den nächsten Tagen noch häufiger sehen. Die Vögel machen nicht den Eindruck, als hätten sie ein bestimmtes Ziel. Manchmal löst die Formation sich auf, manchmal finden sich die Pelikane wieder zusammen, manchmal verteilen sie sich in alle Himmelsrichtungen.

                      

Mittlerweile entfaltet die Sonne ihre Kraft, und es ist richtig warm geworden.

Langsam fahren wir weiter nach Norden, und immer wieder halten wir an, um die Aussicht zu genießen – nicht ohne Grund schwärmen alle Reiseführer von diesem Küstenabschnitt.

     

Die beiden Campingplätze im Big Sur, die es gibt, sind belegt, für 190$ die Nacht könnten wir nur noch eine Cabin bekommen. Da verzichten wir lieber und werden uns einen schönen Platz in einer Parkbucht an der Straße mit Blick auf das Meer suchen. Für das Abendessen reservieren wir einen Tisch im Rocky Point Restaurant hoch oben auf einer Klippe. Wir sitzen sehr angenehm, das Essen ist gut – und natürlich mal wieder: der Ausblick ist fantastisch, der Sonnenuntergang wunderschön.

                                                

                                                

Wir sind froh, dass wir am Nachmittag schon reserviert und auch noch einen Tisch am Fenster bekommen haben. Das Restaurant ist bis auf den letzten Platz besetzt, und es finden offensichtlich mehrere Feiern statt. Das Lokal scheint ein Anziehungspunkt für die Bewohner von Carmel zu sein, welches nicht weit entfernt von hier liegt.

Nach dem Essen fahren wir zu der "Schlafbucht", die wir uns schon nachmittags, als es noch hell war, ausgesucht haben. Und das Rauschen des Meeres begleitet uns in den Schlaf.

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Sonntag, 17. Mai – Point Lobos State Reserve

  

Wir haben gut geschlafen, und sehr stilvoll trinken wir unseren Kaffee heute Morgen direkt an der Straße, aber natürlich – nicht dass ich mich wiederholen möchte – mit einem wunderschönen Blick auf das Meer.

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg Richtung Carmel und hier zum Point Lobos State Reserve. Dieser Park liegt auf einer Landzunge, man soll hier gut wandern und auch diverse Tiere beobachten können. Zu bestimmten Jahreszeiten (leider nicht jetzt) sieht man von der Spitze aus Grauwale vorüber ziehen.

Der Start ist nicht so gut. Man lässt uns mit dem RV nicht in den Park hinein, wir müssen an der Straße parken und dann laufen. Nun ja, so fürchterlich weit ist es auch nicht. Gleich am Anfang können wie Taucher beobachten (Point Lobos ist ein bekanntes Tauchgebiet), und ein Stückchen weiter sonnen sich ein paar Robben am Strand. Die Jungen spielen im Wasser und rufen ständig nach ihren Müttern.

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Der Weg führt meist am Meer entlang, und an der Spitze der Landzunge kann man ein wenig in den Felsen herum klettern. Auch hier gibt es wieder Robben, die wie zu fest gepresste Würste auf den Steinen liegen.

                                                         

     

Hier ist es sehr windig, und während wir noch unseren Mittagssnack essen, ziehen urplötzlich Wolken und Nebel auf, und es wird richtig ungemütlich. Die anderen Leute laufen schnell zu ihren Autos – hier ist ein Parkplatz in der Nähe – wir aber müssen noch recht weit zurück zur Straße. Vor einer halben Stunde schien noch die Sonne vom blauen Himmel, mit so einem Wetter hatten wir nicht gerechnet. Ich habe nur ein Sweatshirt dabei, und das ist bei weitem nicht warm genug, aber es hilft ja nichts.

    

Nur schade, dass wir uns nun unterwegs nicht mehr aufhalten wollen/können. Wir nehmen für den Rückweg die andere Seite der Halbinsel, und auch hier gibt es sehr nette Fleckchen, die wir uns bei schönem Wetter sicher genauer angeschaut hätten.

Im Auto angekommen, wärmen wir uns erst einmal auf. Hier, abseits vom Wasser, ist es auch nicht mehr so windig, und die Temperaturen sind entsprechend angenehmer.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit Sightseeing auf vier Rädern. Während wir uns langsam weiter nach Norden bewegen, machen wir eine Rundfahrt durch Carmel auf dem sogenannten 17-Mile-Drive. Hier darf man – natürlich gegen Gebühr – durch den Teil des Ortes fahren, den die Wohlhabenderen bewohnen. Die Touristenroute ist eigentlich vorgegeben, aber man sieht ja immer mehr, wenn man von den ausgetretenen Pfaden abweicht, also fahren wir schon einmal in die entgegengesetzte Richtung zu allen anderen. Natürlich verfahren wir uns auch, aber letzten Endes schaffen wir das, was wir wollten, nämlich nicht die gesamten 17 Meilen zu fahren und auch eine andere Ausfahrt zu benutzen als vorgesehen. So richtig begeistert sind wir nicht. Es ist zwar alles sehr schön, aber wir sind nicht richtig auf gestylte Landschaft eingestellt und bleiben darum zwiespältig, ob dieser Ausflug sich gelohnt hat.

Auch Monterey haken wir schnell ab. Diese Orte, die uns aus den Romanen von John Steinbeck ein Begriff sind, sind natürlich nicht mehr so, wie sie dort beschrieben wurden. Aber insbesondere Monterey mit der Cannery Row ist ein eher abschreckendes Beispiel dafür, wie man bekannte Namen besonders billig vermarktet.

   

Ein Stück weiter nördlich in Marina übernachten wir im Dunes RV Park. Er ist nicht besonders schön, dafür direkt hinter einer mit bunten Blumen bewachsenen Düne gelegen und gepflegt und praktisch. Auch die Wäsche muss ja mal gewaschen werden J.


Montag, 18. Mai – San Francisco "En Passant"

Die Sonnenbrillen können wir heute getrost in der Tasche lassen. Die Monterey Bay ist von tiefhängenden Wolken überzogen, und besonders warm ist es auch nicht. Trotzdem wagen wir uns nach dem Frühstück über die Düne, um einen Blick aufs Meer zu werfen. Wir sind warm angezogen, aber es bleibt ungemütlich. Der Wind pfeift uns gehörig um die Ohren. Besonders lang halten wir es hier nicht aus.

     

So machen wir uns schon frühzeitig auf den weiteren Weg. Vorbei an riesigen Feldern, auf denen Obst und Gemüse in industriellem Stil angebaut werden. Die Reihen der Artischockenpflanzen reichen bis zum Horizont, der zugegebenermaßen durch die tiefhängenden Wolken heute nicht ganz so weit weg ist.

Nach all den großen Betrieben ist es entspannend, als wir auf Swanton’s Berry Farm ankommen (www.swantonberryfarm.com). Mirjam hatte uns den Tipp gegeben, hier könne man sehr gute Marmelade kaufen. Es gibt einen kleinen Laden mit angeschlossenem Café. Alles ist auf Selbstbedienung angelegt, sogar  die Kasse ist unbesetzt.   

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Der Kuchen und die Marmelade sind ausgezeichnet, eine empfehlenswerte Adresse. Man achte auf dem Highway #1 auf den gelb angestrichenen Truck mit der großen Erdbeere nördlich von Davenport.

Von hier aus sind es noch ca. 70 Meilen bis San Francisco. Wir planen keinen Stopp dort, sondern nur eine Stadtrundfahrt. Es bleibt weiter diesig, so dass wir die Umgebung und auch diesen Teil der Küste nur sehr weichgezeichnet wahrnehmen.

In San Francisco haben wir eine Mischung aus Sonne und vielen Wolken, leider wird es besonders nebelig und unangenehm, als wir über die Golden Gate Bridge wieder aus der Stadt hinaus fahren. Aber vorher geht es in rasantem Tempo ins Gewühl der Straßen von San Francisco.

    

                         

Kaum ein Hügel ist zu steil, kaum eine Straße zu eng für unser Wohnmobil. Ulrich fährt, als säßen wir in einem schicken, kleinen Stadtflitzer. Die steilsten Straßen sind für größere Fahrzeuge gesperrt, aber die Verbotsschilder übersieht er geflissentlich, und jedes Mal bin ich erleichtert, dass das Auto nach einem Stopp auch wieder anfährt und nicht nach hinten wegrollt.

   

Allein die Lombard Street ist nun wirklich zu steil. Das versuchen wir erst gar nicht, da auch das Hinabfahren durch den kurvigen Teil mit unserem Auto gar nicht möglich wäre. Aber wir waren ja schon einmal mit einem PKW hier, nur hatte ich vergessen, wie steil es wirklich ist. Die Autos parken mit zum Bordstein gedrehten Rädern, und wenn man im rechten Winkel zum Bürgersteig parkt, fällt einem die Autotür aus der Hand oder man bekommt sie kaum auf, je nachdem, ob man nach unten oder nach oben aussteigt. Wir klappern noch ein paar Orte ab, an die wir uns erinnern, und dann geht es über die Golden Bridge weiter nach Norden. Bei der Auffahrt auf die Brücke bleiben wir an der Tollstation fast stecken: Wir haben übersehen, dass es unterschiedliche Durchfahrten für PKW und größere Fahrzeuge gibt. Das hätte peinlich werden können, aber wir passen noch so grade hindurch.

Wie schon erwähnt, bleibt die Brücke im Nebel. Es nieselt, und es ist kalt.

Auch nördlich von San Francisco schlängelt sich der Highway #1 weiter an der Küste entlang. Es ist hier grüner als weiter im Süden, und die Klippen sind nicht ganz so spektakulär, aber es ist durchaus schön.

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Es gibt nette, kleine Ortschaften, und in der Nähe von Olema finden wir einen hübsch zwischen Bäumen gelegenen Campground. Die Rezeption hat zwar schon geschlossen, aber man kann trotzdem auf den Platz. Es ist sehr angenehm hier, und wir denken darüber nach, gleich zwei Nächte zu bleiben. Für das Internet braucht man allerdings einen Zugangs-Code, den wir sicher morgen bekommen werden, wenn die Rezeption geöffnet hat.

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Dienstag, 19. Mai – Point Reyes National Seashore Park

Nachdem wir beim nachträglichen Einchecken heute Morgen sehr unfreundlich behandelt werden, entscheiden wir uns spontan, keine zweite Nacht hier zu bleiben. Wir werden uns abends einen anderen Platz suchen.

Zunächst aber fahren wir, wie geplant, in den Point Reyes National Seashore Park. Es ist sehr dunstig, und im Visitor Center erfahren wir, dass der Nebel direkt am Meer eher noch dichter ist. Man sagt, Point Reyes sei der windigste Ort am Pazifischen Ozean und der zweit-nebligste Ort auf dem amerikanischen Kontinent, und das scheint sich heute zu bestätigen. Wir verzichten darum auf eine Fahrt zum Leuchtturm, der am westlichen Zipfel von Point Reyes steht. Das ist bedauerlich, aber das Bild der Webcam von dort zeigt nur graues Einerlei. Dann lohnt sich die doch ziemlich lange Fahrt nicht. Stattdessen machen wir uns lieber auf zur Limantour Beach und laufen dort ein wenig. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir mehrere Nebelbänke, aber am Wasser ist es wieder halbwegs klar, auch wenn die Sonne es nicht ganz durch die Wolken schafft.

    

Durch einen Marschlandgürtel mit riesigen Büschen blühender Lupinen gelangen wir zum Meer. Das eher schlechte Wetter hat den Vorteil, dass wir den Strand nur mit ein paar Seevögeln teilen müssen. Eine junge Möwe macht es sich im Sand bequem, ein einsamer Stelzvogel steht im Wasser und wartet darauf, dass ihm Futter vor die Füße gespült wird, und größere Formationen von Pelikanen fliegen über die Brandung. Wir genießen den Spaziergang sehr.

 

     

Am frühen Nachmittag geht es weiter nach Norden bis Bodega Bay. Hier hat Hitchcock 1963 "Die Vögel" gedreht, und hier übernachten wir auch. Es ist zwar noch nicht besonders spät, als wir im Bodega Bay RV Park einchecken, aber wir wollen nicht mehr weiterfahren.

Mittlerweile scheint die Sonne, und der Himmel ist blau, aber der stürmische Wind ist eisig kalt. Von unserem Stellplatz aus sind wir in 20 Minuten am Strand. Auf dem Weg dorthin wachsen riesige Eukalyptusbäume, und der Strand selbst ist geschützt durch hohe Dünen, die fast vollständig mit einer kleinwüchsigen pinkfarbenen Margeritenart bewachsen sind.

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                               Der für uns eher unangenehme Wind sorgt allerdings für sehenswerte Wellen!

     


Mittwoch, 20. Mai – Auf dem kürzesten Weg zur I5

Heute nehmen wir den kürzesten Weg zur Interstate 5, um schon ein gehöriges Stück gen Portland zu kommen, wo wir übermorgen das Auto abgeben müssen. Ob aber der kürzeste auch immer der schnellste Weg ist, klären wir dann später.

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Zuerst müssen wir noch ein Stück den Highway #1 nach Norden bis Stewart’s Point, von dort wollen wir über die Coast Range (Gebirgszug, der parallel zur Pazifikküste verläuft) ins Landesinnere: Eineinhalb Stunden, eine Kurve nach der anderen, wunderschöne Blicke auf das Meer, aber langsam wird uns schlecht von der Schaukelei.

In Stewart’s Point finden wir zunächst die Straße nicht, in die wir abbiegen wollen, um zum Highway #101 zu gelangen, der ersten Etappe auf dem Weg zur Interstate 5. Das liegt weniger daran, dass es zu viel Auswahl gäbe, sondern eher daran, dass die Straße so klein und unscheinbar ist, dass man sie leicht übersieht. Erst beim Vorbeifahren nehmen wir sie überhaupt wahr. Ein Schild kündigt an: "Winding narrow Road next 4 Miles, RV’s and Trailers not recommended." Natürlich machen wir uns trotzdem auf den Weg, die Alternative wäre ein Umweg von achtzig bis hundert Meilen.

     

Das Fahren mit dem Wohnmobil ist auch kein Problem, aber wir kommen hier wieder zur Frage von vorhin, und ob man tatsächlich den schnellsten Weg erwischt hat, weiß man immer erst hinterher. Wir brauchen zweieinhalb Stunden für insgesamt ca. 40 Meilen, und wir machen keine Pausen. Ulrich: "Eine Sch…strecke, vor der man nur jeden warnen kann." Die Straße ist in schlechtem Zustand, Kurven über Kurven, steile Anstiege und steile Abfahrten. Die Aufgabe für den Straßenbauer lautete sicherlich: "Finde die längste Verbindung von A nach B und berühre mit der dann gebauten Straße jede Hügelspitze in weitem Umkreis."

Vielleicht ist das alles ein wenig übertrieben, denn die Strecke ist eigentlich nicht hässlich. Sie führt durch naturbelassene Wälder, teilweise an einem Bach entlang und später durch Weinberge. Dafür haben wir allerdings im Moment kaum einen Blick. Wir sind damit beschäftigt, Magen und Gleichgewichtssinn im Zaum zu halten.

Als wir endlich auf dem Highway #101 sind, ist es schon 13.30 Uhr, und die Interstate #5 ist noch in weiter Ferne. Uns stehen noch einmal 80 Meilen kurvige Landstraße bevor, bevor wir dann endlich auf dem Freeway sind. Immerhin lernen wir auf diese Art und Weise auch Lake County kennen, ein ausgedehntes Feriengebiet mit mehreren großen Süßwasserseen.

Gegen 16.30 Uhr sind wir endlich auf der I5. Wir fahren an ausgedehnten Reisfeldern vorbei, über denen kleine Flugzeuge Anti-Mückenmittel versprühen. Man riecht es bis ins Auto hinein. Wir wussten vorher nicht, dass in Kalifornien Reis angebaut wird, geschweige denn, dass immerhin 14% des Reises auf dem Weltmarkt aus den USA kommen.

Nun geht es aber wirklich flott nach Norden – sieht man einmal von dem Stau vor einer Baustelle ab. Gegen 19 Uhr sind wir in der Nähe des Mount Shasta, des ersten Vulkans der Cascade Range, den wir in diesem Urlaub sehen werden. Die Cascade Range ist ein Gebirgszug vulkanischen Ursprungs, der parallel zur Westküste Nordamerikas verläuft. Die Cascades erstrecken sich vom Süden British Columbias über die US-Bundesstaaten Washington und Oregon bis nach Nord-Kalifornien. Sie stellen einen Teil des Pazifischen Feuerrings, des "Ring of Fire" dar, einer Kette vulkanisch aktiver Gebirge rund um den Pazifik.

                      

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Mount Shasta ist mit einer Höhe von 4300 Metern der höchste Berg Kaliforniens und der zweithöchste Vulkan der USA. Wir finden einen Übernachtungsplatz mit Blick auf seinen schneebedeckten Gipfel (Friendly RV Park, Weed).

  

Die Sonne steht auch noch hoch genug über dem Horizont, und wir können draußen zu Abend essen. So findet dieser Tag wenigstens noch einen guten Abschluss.


Donnerstag, 21. Mai – Der letzte Tag im Wohnmobil

Auch heute ist wieder nur Fahren angesagt, diesmal allerdings ohne Umwege und Serpentinen. Es geht auf der I5 nach Norden, immer entlang der Cascade Range. Die Landschaft verändert sich mit zunehmender nördlicher Breite. Während Nord-Kalifornien von bunter Blütenpracht geprägt war, reduziert sich die Farbpalette in Oregon auf grün und gelb. Leuchtend blühender Ginster hat andere Pflanzen verdrängt. Er sieht wunderschön aus, wird aber hierzulande schon zu einer ernsten Plage.

In der Nähe von Portland sehen wir den nächsten Vulkan auf dem Ring, Mount Hood (3425 m), den höchsten Berg Oregons. Genau wie der Mount Shasta hat er die ganz typische Kegelform eines Vulkans. Er gilt als aktiv, aber es hat schon lange keine Ausbrüche mehr gegeben.

                           

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Wir übernachten im Portland Fairview RV Park, der nur ca. eine Meile von der Moturisstation entfernt liegt, an der wir unser Auto morgen abgeben müssen. Das ist sehr praktisch! Wir sind auch bereits am Nachmittag hier, so dass wir reichlich Zeit zum Packen haben und alles ohne Stress "über die Bühne" gehen kann.

Traurig sind wir schon darüber, dass nun unser eigentlicher Urlaub zu Ende geht. Wir haben so viele interessante und einmalige Eindrücke gehabt, dass es noch eine lange Zeit brauchen wird, bis das alles verarbeitet ist. Wir haben wirklich schon viel gesehen von der Welt und tolle und herausragende Erlebnisse gehabt. Dass uns etwas noch einmal so beeindrucken würde wie die Felsformationen, die Canyons und die Nationalparks, die wir in den vergangenen drei Wochen gesehen haben, hätten wir nicht für möglich gehalten. Wir hätten auch nicht gedacht, dass es in den USA noch so viele einsame, unbewohnte, noch nicht von Touristen heimgesuchte Gegenden gibt wie z.B. in Utah. Wieder einmal haben wir erfahren, dass es doch immer noch Überraschungen geben kann und dass es sich lohnt, selbst irgendwo hin zu fahren, auch wenn man heutzutage alles schon über das Internet anschauen kann. Manchmal ist die Wirklichkeit doch nicht zu übertreffen!

Wir haben uns auch dieses Mal wieder sehr wohl gefühlt in unserem WoMo, obwohl das Zusammenleben auf so kleinen Raum ohne Ausweichmöglichkeiten natürlich hohe Ansprüche anToleranz und Rücksichtnahme stellt. Aber wir könnten es noch diverse Wochen länger aushalten.

Und einen kleinen Trost gibt es ja: Eigentlich ist der Urlaub doch noch gar nicht zu Ende, denn wir treffen morgen Mirjam, Bijan und Nicki und werden zunächst ein paar Tage mit ihnen zusammen in einem Ferienhaus in Manzanitas verbringen. Danach sind wir noch eineinhalb Wochen bei ihnen in Issaquah, bevor wir von Seattle wieder nach Berlin fliegen.


Freitag, 22. Mai – Familientreffen

Dank der guten Vorarbeit gestern sind wir heute früh fertig und müssen sogar noch ein wenig Zeit "totschlagen", bis wir kurz nach zehn losfahren, um das Auto abzugeben. Vorher müssen wir noch tanken, aber gegen 10.30 Uhr laden wir unser Gepäck auf dem Hof von Camperworld aus.

   

Die Rückgabe des Autos macht keine Probleme und (fast) pünktlich um 11.00 Uhr rollen Mirjam und Bijan auf den Hof, und Audrey begrüßt uns enthusiastisch. Sie sind mit zwei Autos gekommen, von denen eines nun uns zur Verfügung steht.

                        

Nach drei Wochen im Wohnmobil fühlen wir uns zuerst doch reichlich beengt in dem kleinen Auto, aber nur allzu bald haben wir uns wieder daran gewöhnt  .... doch das ist dann eine andere Geschichte, ein anderer Urlaub.

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Jutta Erkens, 2009